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„Für Schwellen ist Barrierefreiheit nur eine von vielen Anforderungen.“
Gustav Burger über Fenstertüren und Barrierefreiheit.
„Für Schwellen ist Barrierefreiheit nur eine von vielen Anforderungen.“
Fenstertüren müssen viel können. Sie herzustellen und zu montieren ist erstaunlich komplex. Besonders der Bereich der Schwelle muss viele Aufgaben erfüllen. Gustav Burger ist Leiter der Anwendungstechnik für Fensterwände und Schiebetüren. Im Interview spricht er über die Anforderungen an eine moderne Fenstertür und über den Paradigmenwechsel Überrollbarkeit versus Nullschwelle.

„Barrierefreiheit” bei Fenstertüren wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Warum?
Weil nicht ganz klar ist, was Barrierefreiheit genau heißt und welchen Stellenwert sie gegenüber den weiteren Anforderungen an eine Schwelle hat. Während in Deutschland die gute Überrollbarkeit debattiert wird, gibt es in Italien eher eine Diskussion um das Thema Dichtigkeit angesichts zunehmenden Starkregens. Laut Gesetz von 1989 sind zur Vermeidung architektonischer Barrieren maximal 2,5 cm Schwellenhöhe vorgesehen. Die weiter abzusenken wird nicht diskutiert, eher wünschen sich die Kunden höhere Schwellen, um sich vor Wasser zu schützen. In der deutschen Norm DIN 18040 heißt es, „untere Türanschläge und Schwellen” mit maximal 2 cm Höhe sind nur zulässig, wenn es „technisch unabdingbar” ist. Das führt in der Praxis zu vielen Diskussionen. Oder um es mit den Worten von Professor Jörn Lass, Leiter des Instituts für Fenstertechnik (ift) Rosenheim zu sagen: „Es ist ein aktuelles Thema voller Widersprüche bei Normen, Regelwerken, Ausschreibungen und Technik.“

Wie steht Finstral zu dieser Diskussion?
Wir teilen die Auffassung von Professor Lass, dass sich Fenstertüren, die ja die Schnittstelle zwischen drinnen und draußen bilden, viel mehr Anforderungen stellen müssen als nur der Barrierefreiheit. Und als Entwickler versuchen wir, sie bestmöglich in Einklang zu bringen. Das ist sicher auch der Grund, warum sich die Normen-Ausschüsse so schwer mit dem Thema tun. Eine ganzheitlich gedachte, klare Regelung wäre natürlich für alle viel besser.

Welche Anforderungen müssen Fenstertüren denn erfüllen?
Bei Fenstertüren ist das untere Rahmenprofil des Flügelrahmens den stärksten Belastungen ausgesetzt: Zum einen ist es thermisch beansprucht, denn dort fallen die Sonnenstrahlen hin – sowohl direkt als auch indirekt über die Reflektion am Boden davor. Dann haben wir eine mechanische Belastung, denn Fenstertüren haben große und dadurch schwere Gläser, die auf dem unteren Rahmen lasten. Damit sich unter dem Gewicht über die Jahrzehnte der Rahmen nicht verzieht, stabilisieren wir ihn im geschlossenen Zustand mit mindestens zwei Sicherheitsschließteilen in der Schwelle. So kann er sich weder nach oben bzw. unten noch nach außen oder innen bewegen. Das verhindert Verformungen und sorgt zudem für gleichmäßigen Anpressdruck der Anschlagdichtungen. Das klingt technisch, ist aber sehr wichtig, denn nur formstabile Profile gewährleisten über die Dauer von Jahrzehnten die wichtigen Funktionen der Tür, wie Schlagregen- und Luftdichtheit, Wärme- und Schalldämmung oder die Barriere für Insekten. Und die Einbruchhemmung verbessert sich durch die Schließteile unten ebenfalls erheblich. Wenn man keine Schwelle hat, lassen sich diese Stabilisierungspunkte und eine Anschlagdichtung nicht realisieren. Es geht da zwar nur um zwei Zentimeter, die sich zudem auch gut überrollbar ausführen lassen, aber die braucht es einfach, um allen unterschiedlichen Anforderungen konstruktiv gerecht zu werden.

Sie empfehlen also eine niedrige Schwelle statt einer Nullschwelle?
In den allermeisten Fällen – ja. Für Menschen mit Einschränkung ist Barrierefreiheit natürlich eine wichtige Eigenschaft, das ist unbestritten. Aber zum einen muss das nicht immer gleich Nullschwelle heißen. Sehr oft dürfte auch gute Überrollbarkeit ausreichen. Zum anderen haben die Nullschwellen-Lösungen, die es auf dem Markt gibt, einfach viele Nachteile.

Welche Nachteile haben Nullschwellen konkret?
Die fehlende Schwellenerhöhung bewirkt, dass Wasser in die Schwelle eintritt. Das muss über ein aufwändiges Rinnensystem nach unten abgeführt werden, egal ob die Schwelle in einem wettergeschützten Bereich liegt oder nicht. Das ist zum einen aufwendig und zum anderen auch nur für Neu- oder Umbau eine Lösung. Für den Fensteraustausch ist das ungeeignet. Und Nullschwellen haben eben keine Verriegelungspunkte entlang der Schwelle. In der Regel haben sie Magnetdichtungen, die aufgrund des fehlenden Anpressdruckes nie dieselbe Dichtwirkung aufbringen wie eine Anschlagdichtung.

Wie stehen Ihre Kunden zur Nullschwelle?
Wir haben so gut wie keine Anfragen dazu. Das liegt sicher auch am deutlichen Mehrpreis, den so eine Lösung hat, wenn man sie ordentlich ausführen will. Aber auch die zunehmenden Starkregenereignisse schrecken vor Nullschwellen ab.

Was ist planerisch bei flachen Schwellen zu berücksichtigen?
Laut RAL-Montageleitfaden sind flache Schwellen nur in wettergeschützten Bereichen und/oder mit Entwässerungsrinne einzuplanen. Zudem ist der Bodenbelag innen feuchteunempfindlich auszuführen. Bei Haustüren sind diese Grundregeln seit jeher Standard, für Fenstertüren mit flachen Schwellen sollten sie ebenso berücksichtigt werden. Gerade große Dachterrassen mit offenem Brüstungsgeländer bieten dem Wind die Möglichkeit, das Wasser vom Terrassenboden gegen die Türelemente zu wehen. Dadurch verschärfen sich die Anforderungen an dichte Schwellenkonstruktionen. Das gilt umso mehr für die durch den Klimawandel zunehmende Starkregenvorkommnisse und vermehrten Hitzeperioden.

Sie sprachen vorhin von Drehkipp-Fenstertüren. Brauchen Hebeschiebetüren eigentlich auch Verriegelungspunkte entlang der Schwelle?
Aus unserer Sicht nicht. Bei Hebeschiebetüren ist das Flügelgewicht so hoch, dass der Anpressdruck der Dichtung ausreichend sichergestellt wird. Und die Führungsschiene des Rollwagens stabilisiert das Flügelrahmenprofil horizontal. Gewicht und Führungsschiene sind zudem ein optimaler Schutz gegen Einbruch. Darum sind unsere Schwellen für Hebeschiebetüren auch noch niedriger und noch leichter überrollbar konstruiert.
„Für Schwellen ist Barrierefreiheit nur eine von vielen Anforderungen.“
Gustav Burger kennt sich mit Fenstern bestens aus. Seit 30 Jahren arbeitet er bei Finstral, inzwischen als Leiter der Anwendungstechnik für Fensterwände und Schiebetüren. Sein Credo: Die Dauerfunktion einer Fenstertür ist immer maßgeblich.
„Für Schwellen ist Barrierefreiheit nur eine von vielen Anforderungen.“
Schwellen von Fenstertüren müssen neben der Barrierefreiheit auch weitere funktionale Anforderungen an gute Dichtheit und Isolation erfüllen.
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